Übergabe der Petition "Weg mit § 218 StGB: Abtreibung nicht länger im Strafgesetzbuch regeln!"
110.000 Menschen fordern die neue Bundesregierung auf § 218 aus dem Strafgesetzbuch zu streichen und Schwangerschaftsabbrüche zu legalisieren
● MdBs der Parteien BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, SPD und DIE LINKE nahmen die Forderungen zur Streichung des § 218 StGB entgegen.
● Petition "Weg mit § 218 StGB" mit 110.000 Unterschriften an Politikerinnen übergeben.
● 172 Organisationen fordern einen freien, legalen und sicheren Zugang zu Schwanger-schaftsabbrüchen.
Die Petition „Weg mit § 218 StGB: Abtreibung nicht länger im Strafge-setzbuch regeln!" mit 110.000 Unterschriften wurde am 12. November auf dem Pariser Platz in Berlin von den Petitionsstarterinnen und dem Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung an Parteivertreterinnen von SPD, DIE GRÜNEN und DIE LINKE des neuen Bundestages über-geben. Waren es zu Beginn noch 98.000 Unterschriften knackte die Petition noch während der Veranstaltung die 100.000er Marke.
Damit appelliert die Zivilgesellschaft noch vor Abschluss der Koalitionsverhandlungen für eine vollständige Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen in Deutsch-land und eine rechtliche Regelung außerhalb des Strafgesetzbuches.
Vor Ort nahmen Derya Türk-Nachbaur (SPD), Ricarda Lang (DIE GRÜNEN) und Heidi Reichinnek (DIE LINKE) die Unterschriften entgegen. Alle sprachen sich geschlossen für eine Streichung des Paragrafen 218 und 219a StGB aus. Hatte sich die SPD in der Großen Koalition mit der CDU/CSU noch an dem Kompromiss von § 219a beteiligt, der es Ärzt*innen untersagt, weiterführende Informationen zum Schwangerschaftsabbruch auf ihren Webseiten zur Verfügung zu stellen, bezog Derya Türk-Nachbaur am Freitag klar Stellung: Paragraf 218 ff gehöre ersatzlos aus dem Strafgesetzbuch gestrichen, betonte die neue Bundestags-abgeordnete.
Für DIE GRÜNEN versprach Ricarda Lang, stellvertretende Bundesvorsitzende und Frauen-politische Sprecherin, den Einsatz der Partei für die Abschaffung der beiden Paragrafen so-wie für eine voll umfassende Gesundheitsversorgung für (ungewollt) Schwangere.
DIE LINKE setzt sich seit Jahren für die Entkriminalisierung von Abbrüchen ein, und so unter-strich die neue frauenpolitische Sprecherin Heidi Reichinnek, dass die Partei die Forderungen mit allen Kräften unterstützen werde. Sie betonte, dass ungewollte Schwangerschaften nicht nur Teil von sexueller Selbstbestimmung, sondern auch Teil der Sozialen Frage sind.
Auch CDU/CSU und FDP waren zur Übergabe der Forderungen eingeladen, kamen der Ein-ladung jedoch nicht nach. Die Forderungen wurden ihnen postalisch zugesandt.
„Für uns ist klar: Eine Streichung von § 219a StGB allein, wäre kein Erfolg für die Ampelkoali-tion, sondern ein längst überfälliger Schritt. Deswegen freuen wir uns über diese klaren Stel-lungnahmen der drei Parteien und werden sie in der kommenden Legislaturperiode an das Versprechen, das sie uns heute geben haben, erinnern", sagt Kate Cahoon, Petitionsstarterin. „Völlig unverständlich und beschämend finden wir, dass sich ausgerechnet eine liberale Par-tei wie die FDP bei diesem Thema zurückhält", so Cahoon weiter.
Die Forderungen werden von 172 Organisationen mitgetragen. Der Aufruf "150 Jahre Wider-stand gegen § 218 StGB – es reicht!" wurde ebenfalls an die Politikerinnen übergeben. An-lässlich des 150-jährigen Bestehens des § 218 StGB, haben sich verschiedene zivilgesell-schaftliche sowie parteinahe Organisationen für die ersatzlose Streichung der Paragrafen 218 und 219a StGB und einen freien, legalen und sicheren Zugang zum Schwangerschaftsab-bruch positioniert. Zu den Unterzeichnenden gehören unter anderem AWO, Arbeitskreis Frauengesundheit, Deutsche Aidshilfe, DGB, pro familia, ASF (Frauenorganisation SPD) und das Gunda-Werner-Institut (Heinrich Böll Stiftung).
Hintergrund: Laut § 218 im Strafgesetzbuch sind Schwangerschaftsabbrüche in Deutschland zunächst illegal und nur nach einer verpflichtenden Beratung und innerhalb der ersten 12 Wo-chen straffrei. Sie werden im Strafgesetzbuch direkt nach Mord und Totschlag aufgeführt. Im Medizinstudium wird die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs nicht gelehrt und immer weniger Ärzt*innen nehmen Abbrüche vor. In den letzten 15 Jahren war ein Rückgang von über 40% zu verzeichnen. Dies sorgt vor allem in ländlichen Regionen für folgenreiche Versorgungsengpässe.