Kinder und Jugendliche haben das Recht auf Schutz vor körperlicher und seelischer Gewalt. Jede Form von Gewalt gegen Kinder verstößt gegen die UN-Kinderrechtskonvention und gegen die Menschenrechte. pro familia NRW setzt sich im Rahmen des Kinderschutzes dafür ein, gesellschaftliche Strukturen, die sexualisierte und häusliche Gewalt verschleiern, bagatellisieren und / oder fördern, aufzuzeigen und diese zu verändern.

Wir, die Mitarbeiter*innen von pro familia, wünschen uns für alle Kinder und Jugendliche, dass sie sicher, unbeschwert und frei aufwachsen, dass ihre körperlichen und emotionalen Entwicklungen gut und kraftvoll verlaufen, dass sie als Jugendliche und junge Erwachsene selbstbestimmt leben, verantwortlich mit ihrer Sexualität umgehen können und sich in ihrem Körper wohlfühlen.

Wovon reden wir überhaupt?! Definition Sexualisierte Gewalt

Sexualisierte Gewalt an Kindern ist jede sexuelle Handlung, die an oder vor einem Kind vorgenommen wird, oder der sie aufgrund der körperlichen, seelischen, geistigen oder sprachlichen Unterlegenheit nicht wissentlich zustimmen können. Täter*innen nutzen dabei ihre Macht- und Autoritätsposition aus, um eigene Bedürfnisse zu befriedigen. Sexualität ist das Mittel, um Macht auszuüben.

Sexualisierte Gewalt hat viele Formen. Neben unfreiwilligen, sexuellen Handlungen und Vergewaltigungen gibt es sexuelle Grenzverletzungen, die früher ansetzen, wie z.B. sexualisierte Belästigung, sexualisierte Begutachtung des Körpers und scheinbar flüchtige Berührungen. Auch diese Übergriffe können Kinder verletzen und demütigen.

Wovon reden wir überhaupt?! Definition Häusliche Gewalt

Häusliche Gewalt ist das Schlagen, Demütigen oder massive Bedrohen anderer Familienmitglieder, z. B. der Partner*in oder der Kinder und Jugendlichen.

Vor allem Kinder sind oft betroffen oder werden Zeugen solcher gewaltvollen Übergriffe. Ihr Vertrauen in die schützenden Eltern/Erwachsenen wird erschüttert, sie haben dauerhafte Angst vor Gewaltausbrüchen, werden zur Geheimhaltung genötigt oder haben ein schlechtes Gewissen, wenn sie z. B. Geschwister, die Mutter oder auch andere erwachsene Bezugspersonen nicht schützen können.

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Im Zusammenhang mit sexualisierter Gewalt werden uns immer wieder Fragen gestellt, die nicht mit Gewalt, sondern mit Sexualität zu tun haben. Kindliche Sexualität kann Eltern und Fachkräfte mitunter (über-)fordern und viele Fragen und Unsicherheiten aufwerfen. Erwachsene wissen oft nicht genau, was unter kindlicher Sexualität zu verstehen ist, wie sie sich äußert und welche Art der Begleitung und Begrenzung für Mädchen* und Jungen* wichtig und stärkend ist. Für eine gesunde Entwicklung sollen Kinder in ihren Eigen- und Besonderheiten gesehen, in ihrer Individualitätsentwicklung unterstützt und ihre Selbstbestimmtheit gefördert werden. Gleichzeitig ist es die Aufgabe von (uns) Erwachsenen, Kinder für die Rechte und Grenzen anderer Kinder zu sensibilisieren.

Vor allem mit dem Wissen, dass Kinder häufig über mediale Zugänge früh mit Bildern erwachsener Sexualität konfrontiert werden und auch selbst Zeug*in oder auch Betroffene von sexualisierter Gewalt durch (vertraute) Erwachsene und Jugendliche in ihrem nahen Umfeld werden können, müssen wir uns von der Wunschvorstellung der behüteten und stets sicheren Umgebung verabschieden. Es gilt ein Klima der Offenheit zu schaffen, in dem verunsichernde und/oder verstörende Erlebnisse und Gefühle angesprochen werden dürfen. Dazu müssen Unsicherheiten bei den Erwachsenen reduziert und eine standardisierte und professionelle Implementierung des Themas in den Bereichen, in denen sich Kinder bewegen, gewährleistet werden.

Die gesellschaftliche und individuelle Verantwortung für das Wohl von Kindern und Jugendlichen sowie den Schutz vor Grenzüberschreitungen liegt bei den Erwachsenen. Ihre Aufgabe ist es sexuelle Übergriffe und häusliche Gewalt bereits in den Anfängen zu erkennen und die Entwicklung schützender institutioneller Strukturen (Schutzkonzepte) voranzutreiben. So ist es möglich, sicherere Orte für Mädchen* und Jungen* im Erziehungsalltag zu schaffen und Kinderrechte zu verankern.

Warum Schutzkonzepte wichtig sind

Institutionen, die mit Kindern und Jugendlichen arbeiten, stehen vor der Herausforderung, jungen Menschen geschützte Räume anzubieten. Schulen, Kitas, Kirchengemeinden, Internate, Sportvereine, stationäre Einrichtungen der Jugendhilfe, Krankenhäuser und andere Institutionen müssen Bedingungen schaffen, die das Risiko senken, zum Tatort von sexualisierter Gewalt zu werden. Zudem sollen Mädchen* und Jungen* in der Institution Hilfe durch kompetente Ansprechpersonen finden, wenn ihnen dort oder andernorts – beispielsweise im familiären Umfeld – sexuelle Gewalt angetan wird.
Quelle:UBSKM

Präventive Grundhaltung / Erziehungshaltung / Beratungshaltung

Die Prävention von sexualisierter und häuslicher Gewalt an Kindern und Jugendlichen ist nicht nur Aufgabe von Eltern und Zivilgesellschaft, sondern vor allem die pädagogischer Institutionen. Die pro familia bietet Informationen und Aufklärung über die Hintergründe sexualisierter Gewalt, über Täter*innenstrategien und Vorbeugungsmöglichkeiten zum Schutz von Kindern und Jugendlichen. Die gesellschaftliche und individuelle Verantwortung für das Wohl von Kindern und Jugendlichen sowie den Schutz vor Grenzüberschreitungen liegt bei den Erwachsenen.
Die Angebote der pro familia Beratungsstellen in NRW im Bereich Beratung, Therapie und Prävention unterstützen pädagogische Fachkräfte aus allen Bereichen, Prävention weiterzudenken und Interventionsstandards fest zu implementieren. So kann in der Zusammenarbeit unter Einhaltung hoher fachlicher Standards eine grenzachtende Grundhaltung weiterentwickelt und die Basis für ein professionelles Schutzkonzept geschaffen werden. Wir orientieren unsere Angebote an den vielfältigen Lebensentwürfen und einer sich ständig verändernden Gesellschaft.
Wir arbeiten vertraulich, mit einer positiven, wertschätzenden und empathischen Grundhaltung und nehmen Betroffene als Expert*innen ihrer eigenen Lebenssituation wahr.

Pädagogische Fachkräfte, Eltern und Interessierte können mit uns gemeinsam umfassende Kompetenzen erarbeiten, die Ihnen helfen, sich aktiv für den Schutz von Kindern und Jugendlichen einzusetzen.
Eine grenzachtende Grundhaltung und ein verbindlicher Verhaltenskodex fordert die Auseinandersetzung mit sich selbst und unterstützt Erwachsene in ihrer Vorbildfunktion. Sie fördert das Selbstvertrauen, die Eigenwahrnehmung und das Selbstbestimmungsrecht von Kindern und Jugendlichen. Aufklärung und Sensibilisierung durch kompetente Erwachsene im Erziehungsalltag ermöglichen letztendlich immer weniger Anknüpfungspunkte für Täter*innenstrategien.

Präventionsprinzipien in der pädagogischen Arbeit

Die Inhalte der Prävention sind Antworten auf Täter*innenstrategien.

Prävention vermittelt Kindern und Jugendlichen Selbstbewusstsein und klärt sie altersgemäß über ihre Rechte auf. Die Erfahrung zeigt, dass selbstbewusste Kinder, die ihre Rechte kennen und diese gegenüber Erwachsenen vertreten, sich besser schützen können und früher Hilfe holen.

Prävention gegen sexualisierte und häusliche Gewalt ist eine Erziehungshaltung. Sie beschreibt den geschlechtersensiblen Umgang von Erwachsenen mit Kindern und Jugendlichen Der kindlichen Abhängigkeit gilt es mit Verantwortung zu begegnen. Mädchen* und Jungen* brauchen Erwachsene an ihrer Seite, die ihre Rechte respektieren, ihnen Rechte einräumen und sie unterstützen, diese wahrzunehmen und sich auszuprobieren. Die Präventionsinhalte sind alltägliche Kinderthemen und fließen in die elterliche oder institutionelle Erziehung kontinuierlich ein.

Eingebettet in die Themen „Gefühle, Berührungen, Hilfe holen…“ macht Prävention den Mädchen* und Jungen* keine Angst. Wenn wir Kinder altersangemessen über sexuellen Missbrauch aufklären, können sie das Thema ähnlich wie die Themen   Klimawandel oder Kriege begreifen und feststellen, dass sie handlungsfähig sind. Sie entwickeln Ideen von möglichen Lösungen und wissen über ihre Rechte Bescheid.

Sinnvolle Prävention muss Mädchen* und Jungen* stärken, sie ermutigen, ihrem Gefühl zu vertrauen und schlechte Geheimnisse weiterzuerzählen.

Erwachsene haben die Verantwortung für den Schutz von Kindern und Jugendlichen. Das ist der Leitgedanke der Präventionsarbeit gegen sexualisierte und häusliche Gewalt. Ihr Ziel ist es, Kinder und Jugendliche zu stärken und sexualisierte und häusliche Gewalt möglichst zu verhindern.

Quelle: Gisela Braun „Ich sag Nein“, AJS Köln

Netzwerk / Vielfalt ist die Basis unserer Arbeit

Die vielfältige Netzwerkarbeit der spezialisierten pro familia Beratungsstellen NRW hat einen hohen Stellenwert und beinhaltet das Wissen um regionale und überregionale Institutionen und deren Angebote im Bereich der sexualisierten und häuslichen Gewalt. Die gebündelten Kompetenzen unterschiedlicher Berufsgruppen und Institutionen ermöglichen die Entwicklung spezifischer fallbezogener Interventionsschritte. Die genaue Kenntnis der Aufgaben, Möglichkeiten und Grenzen der multiprofessionellen Kooperationspartner*innen unterstützt die gegenseitige Weitervermittlung von Betroffenen und Fachkräften.

Im Sinne dieser Vernetzung sind die Mitarbeiter*innen mit vielen Fachberatungsstellen und den Regionalteams der Jugendhilfe verbunden und in vielen Gremien/Vernetzungstreffen vertreten.

Bitte unterstützen Sie uns!

Die Beratungsstellen der pro familia NRW werden vom Land und von den Kommunen finanziert, jedoch nicht kostendeckend. Deshalb sind wir auf Ihre Unterstützung angewiesen.

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