Fehlgeburten kommen viel häufiger vor als man denkt. Man schätzt, dass ungefähr jede sechste bestätigte Schwangerschaft in einer Fehlgeburt endet. Die Zahl ist sogar noch höher, wenn man die sehr frühen Schwangerschaften mitzählt, die noch gar nicht bemerkt wurden.
Trotzdem sind Fehlgeburten ein Tabuthema, über das aus verschiedenen Gründen nicht gesprochen wird. Viele Menschen sind sehr unsicher, wie sie einer Person begegnen sollten, die eine Fehlgeburt hatte.
Für die Betroffenen ist das häufig besonders schmerzhaft. Sie haben oft die Sorge, dass ihre Trauer und ihre Gefühle von der Umwelt als unverhältnismäßig betrachtet werden. Vielleicht möchten sie auch gar nicht, dass andere Menschen vom eigenen Kinderwunsch erfahren oder sie befürchten Nachteile im Beruf.
Die meisten Fehlgeburten ereignen sich zwischen der 7. und 10. Schwangerschaftswoche. Das liegt daran, dass zwischen der 5. und 7. Schwangerschaftswoche eine empfindliche Phase der Schwangerschaft liegt. In dieser Zeit werden die Organe des Kindes gebildet. Kommt es dabei zu einer Fehlentwicklung oder Schädigung, die mit dem Leben nicht vereinbar ist, reagiert der schwangere Körper, indem das Schwangerschaftshormon Progesteron nicht weitergebildet wird und die Gebärmutter Schleimhaut abstößt.
Wenn eine Fehlgeburt festgestellt wurde, ist der Weg der Eizelle gestört worden. Dies kann auf unterschiedliche Weise passiert sein:
- Die befruchtete Eizelle hat sich nicht in der Gebärmutter eingenistet (eine so genannte Extrauteringravidität oder Eileiterschwangerschaft).
- Es gibt eine Schädigung oder Fehlentwicklung des Embryos und er stirbt ab. Diese meist chromosomalen Schädigungen machen schätzungsweise 60 bis 80 % der Fehlgeburten in den ersten Schwangerschaftswochen aus.
- Der Embryo wächst nicht weiter, es ist kein Herzschlag nachweisbar oder die Fruchthöhle wurde leer, also ohne Embryo, angelegt.
Häufig macht sich eine Fehlgeburt durch Blutungen bemerkbar, von leichten Schmierblutungen bis hin zu regelstarken Blutungen. Ist dies nicht der Fall, wird von einer so genannten Missed Abortion oder verhaltenen Fehlgeburt gesprochen.
Wer von einer Fehlgeburt betroffen ist, macht sich oft Gedanken, inwieweit man diese durch das eigene Verhalten verursacht haben könnte. War es zu wenig Schlaf? Wie war die Ernährung in den letzten Wochen? War etwas körperlich zu anstrengend? Haben Sie in den ersten Wochen Alkohol getrunken, als die Schwangerschaft noch nicht bekannt war? Könnte die Arbeit zu anstrengend gewesen sein? War eine Medikamenten-Einnahme schuld? Oder zwiespältige Gefühle der Schwangerschaft gegenüber?
Tatsache ist jedoch, dass die meisten Fehlgeburten in der frühen Schwangerschaft ohne nachweisbare Ursache passieren. Der Grund ist mehrheitlich eine zufällige Chromosomenfehlbildung beim Embryo, die unvereinbar mit dem Leben ist.
Prinzipiell gibt es drei Möglichkeiten, wie medizinischen verfahren wird, wenn eine Fehlgeburt, eine nicht intakte Frühschwangerschaft festgestellt wurde.
Wenn jemand keine lebensbedrohlichen Blutungen hat (und das ist sehr selten der Fall), kein Fieber, keine Infektion oder anderen schweren Risiken, dann muss nicht sofort gehandelt werden. Die Betroffenen können in Ruhe überlegen, welche der drei Möglichkeiten für sie in Frage kommt.
- Begleitetes Abwarten
- Medikamentöse Behandlung der Fehlgeburt
- Operative Behandlung der Fehlgeburt
Keine der drei Optionen ist die einzig passende Lösung. Jede kann individuell gut sein.
Lassen Sie sich in Ruhe in Ihrer gynäkologischen Praxis oder von einer Hebamme beraten, welche Möglichkeiten für Sie in Frage kommen, und nehmen Sie sich Zeit für Ihre Entscheidung.
Begleitetes Abwarten
Nach der Diagnose ist es möglich, so lange abzuwarten, bis von selber Blutungen eintreten, mit denen der Embryo aus dem Körper gespült wird. Da niemand weiß, wie lange das Warten dauert, kann es eine mentale Herausforderung sein. Eine Begleitung durch eine Hebamme und/oder regelmäßige Termine können Ihnen dabei die notwendige Ruhe und Geduld vermitteln. Auch für den Umgang mit den Blutungen - die in der Regel stärker als Periodenblutungen sind - ist es gut, eine fachkundige Begleitung zu haben.
Medikamentöse Behandlung
Die Blutung kann auch durch Medikamente ausgelöst oder – falls eine Blutung schon begonnen hat – beschleunigt werden. In vielen anderen europäischen Ländern ist das mittlerweile die Methode, die am häufigsten zur Anwendung kommt (zum Beispiel in Schweden, der Schweiz und Frankreich).
Sie bekommen in den meisten Fällen die Wirkstoffe Mifepriston und/oder Misoprostol verordnet und nehmen diese Medikamente zuhause oder ggfs. unter ärztlicher Aufsicht.
Es ist individuell verschieden, wie schnell der Körper mit Blutungen und Kontraktionen auf die Medikamente reagiert. Oft passiert dies innerhalb der nächsten Stunden nach Verabreichung von Misoprostol. Nach 24 Stunden ist bei einem Großteil der Fälle die Blutung eingetreten. Die Blutung selber sollte nach einigen Stunden deutlich abnehmen. Geben die Schmerzen und ggfs. Übelkeit werden in der Regel geeignete Mittel verschrieben.
Die Fehlgeburt kann dann zuhause im gewohnten Umfeld erlebt werden, eine Begleitperson ist in jedem Fall angeraten. Eine Hebamme kann mit Hausbesuchen unterstützen.
Operative Behandlung ("Ausschabung", "Küretage")
Was früher eine gängige Behandlung der Fehlgeburt war – eine so genannte Ausschabung oder Kürettage – wird heute nicht mehr als Methode der Wahl empfohlen. Trotzdem werden in Deutschland noch sehr viele Fehlgeburten operativ beendet, deutlich mehr als in einigen anderen europäischen Ländern.
Wenn medizinische Gründe vorliegen – wie eine starke Blutung, eine Infektion, ein instabiler Kreislauf oder eine Medikamentenunverträglichkeit – oder wenn Sie es ausdrücklich wünschen, ist die Ausschabung eine bewährte Methode.
Für den Eingriff werden Sie in die gynäkologische Abteilung eines Krankenhauses überwiesen. Der Eingriff findet unter Narkose statt, dabei wird der Embryo zusammen mit der Plazenta durch ein kleines Plastikröhrchen abgesaugt. In einer frühen Schwangerschaftswoche ist diese Absaugung ausreichend, nur in Einzelfällen muss noch zusätzlich eine Ausschabung durchgeführt werden.
Nachteile können sein, dass das Risiko für verstärkte Blutungen und Infektionen erhöht ist und dass Sie unter Umständen eine Nacht im Krankenhaus bleiben müssen. In seltenen Fällen können im Nachgang einer Kürettage Verwachsungen entstehen, die sich nachteilig auf spätere Schwangerschaften auswirken können.
Ob der Eingriff auch ambulant durchgeführt werden kann, ist individuell verschieden.
Dass Hebammen bei Beschwerden in der Schwangerschaft weiterhelfen, Vorsorgeuntersuchungen durchführen und nach einer Geburt im Wochenbett betreuen, ist allgemein bekannt.
Weniger bekannt ist, dass zu den Aufgaben einer Hebamme auch die Begleitung bei einer Fehlgeburt und die Betreuung in den Wochen danach gehören. Die Krankenkassen bezahlen auch diese Hebammenhilfe.
Wenn Sie sich vorher noch keine Hebamme gesucht hatten, können Sie auch kurzfristig für die Unterstützung bei und nach der Fehlgeburt die Hilfe einer Hebamme in Anspruch nehmen. Die Hebammenverbände, aber auch Ihre Krankenkasse helfen bei der Vermittlung. Teilweise haben Krankenkassen Online-Angebote oder Spezial-Telefone, um in dieser Situation gezielt eine Hebamme vermitteln zu können. Rufen Sie am besten bei Ihrer Krankenkasse an.
In den Tagen und Wochen nach der Fehlgeburt kann es wichtig sein, Kontrolluntersuchungen wahrzunehmen. Abhängig davon, in welcher Schwangerschaftswoche das Ereignis stattgefunden hat und für welche Art der Behandlung Sie sich entschieden haben, werden mehrere Termine in Ihrer gynäkologischen Praxis empfohlen. Dabei wird mit dem Ultraschallgerät überprüft, ob durch die Blutung das komplette Schwangerschaftsgewebe abgegangen ist. Sollte das nicht der Fall sein, wird mit Ihnen das weitere Vorgehen geklärt. Außerdem wird Ihnen Blut abgenommen, um die Höhe des Schwangerschaftshormons Beta-hCG zu kontrollieren.
Sollten Sie über die übliche Menge hinaus Blut verloren haben, wird bei der Blutuntersuchung auch Ihr Eisenwert bestimmt.
Wie viele Nachuntersuchungen nötig sind, wird Ihr*e Gynäkolog*in mit Ihnen besprechen.
Jeder Mensch hat seinen eigenen Umgang mit der Ereignis einer Fehlgeburt. An Anfang müssen oft Dinge geregelt oder Termine vereinbart werden. Viele berichten von einem Schockzustand nach der Diagnose, in dem sie sich wie unter einer Glasglocke gefühlt haben, kaum fähig, zu agieren, zu fühlen oder zu sprechen. Die emotionale Verarbeitung setzt meist etwas später ein.
Was Sie brauchen, damit es Ihnen wieder besser geht, können nur Sie entscheiden. Dabei kann es hilfreich für Sie sein, immer wieder innezuhalten und sich selbst zu fragen, wie es Ihnen geht.
Wenn Sie nach einer längeren Zeit das Gefühl haben, das Erlebte nicht verarbeiten zu können oder wenn Ihre Partnerschaft oder Sexualität unerwünschte Änderungen erfahren hat, dann kann ein professionelles Hilfsangebot für Sie hilfreich sein.
Anerkannte Schwangerschaftsberatungsstellen können eine niedrigschwellige erste Anlaufstelle sein. Eine Übersicht mit Adressen aller Träger und bundesweit finden Sie unter https://www.familienplanung.de/beratung/beratungsstelle-finden/
Unter der Telefonnummer 116117 erhalten Sie Unterstützung bei der Suche nach einer Praxis für Psychotherapie beziehungsweise der Vermittlung eines Akuttermins.
Eine Fehlgeburt ist ein einschneidendes Ereignis im Leben, unabhängig davon, in welcher Lebenssituation sie sich ereignet hat. Wie stark Sie das Erlebnis prägt, wie lange Sie sich in dem Prozess der Verarbeitung befinden, ist dagegen sehr individuell.
Manche Paare beginnen schon bald nach dem Verlust, über eine weitere Schwangerschaft zu sprechen, empfinden ihren Kinderwunsch stärker als vorher. Oft geht es den einzelnen Personen dabei unterschiedlich, daher ist es wichtig, sich Zeit für Gespräche zu nehmen.
Häufig verändert sich auch die Sexualität. Sie werden vielleicht eine gewisse Zeit benötigen, bis sich Ihr gewohntes Körpergefühl wieder einstellt und Sie sich körperliche Nähe vorstellen können. Auch hier kann es helfen, sich als Paar bewusst Zeit füreinander zu nehmen.
Nicht selten ist der Wunsch nach einer neuen Schwangerschaft mit Ängsten verbunden. Wird der Schwangerschaftsverlauf stabil sein? Wie hoch ist das Risiko einer weiteren Fehlgeburt?
Ob und wie schnell Sie wieder schwanger werden, kann nicht vorhergesagt werden. Es kann sein, dass sich der Zyklus erst wieder einspielen muss und Sie in den ersten Monaten unregelmäßige Regelblutungen haben. Wenn Sie sich schon lange ein Kind wünschen, kann diese Phase belastend sein. Man rät heute nicht mehr dazu, nach einer Fehlgeburt in der frühen Schwangerschaft eine festgelegte Wartezeit für eine neue Schwangerschaft einzuhalten.
Sehr viele Paare werden nach einer Fehlgeburt problemlos schwanger.
Sollte eine Fehlgeburt öfter passieren (mehr als 2), sollte das Paar eine medizinische Abklärung anstoßen, um eine adäquate Behandlung zu erhalten.
pro familia Beratungsstellen
pro familia Beratungsstellen sind Anlaufstellen rund um alle Aspekte rund um Fehlgeburt.
Auch wenn die Fehlgeburt schon länger her ist, können Sie sich an eine Beratungsstelle wenden.